Rouanet-Gymnasium Beeskow

Ein Einblick in den DDR-Alltag mit dem Zeitzeugen Röllig

> Autor: Marilyn Mochow & Lisa Brandenburger

> Datum: 30.11.2011

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„Vom Geliebten zum Staatsfeind“

Am 8. November 2011 bekamen wir einen interessanten Gast an unsere Schule. Herr Röllig (44 Jahre) war ein DDR - Bürger und wollte uns seine Lebensgeschichte erzählen. Mit dabei war Hund Daphne, der ein Teil seiner Geschichte ist. Diese begann er damit, indem er uns erzählte, dass er 1987 den Versuch startete, die DDR zu verlassen. Wobei man sagen muss, dass dieser Plan zu der Zeit oftmals scheiterte. Meist bekamen nur Rentner ein gültiges Visum, um in die BRD zu gelangen. Unser Gast hat seine Kindheit im südöstlichen Teil Berlins, in Friedrichshagen, verbracht. Er berichtete, dass er eine sehr schöne Kindheit hatte und in einem intakten Elternhaus aufgewachsen ist. In der Schule war es nicht ganz so leicht. Die Lehrer versuchten die Schüler zu einem "vernünftigen Staatsbürger" zu erziehen: „Man führte immer ein Doppelleben…“, sagte er, denn das Leben hinter und vor der Haustür war jeweils ein anderes. Zu dieser Zeit galt es immer, sich der Gesellschaft anzupassen und sich nach deren Regeln zu verhalten. Wer sich nicht daran hielt, wurde ausgegrenzt.

Genau das will niemand als Kind: ausgegrenzt werden und keine Freunde haben, also hielten sich die meisten an die Regeln. Herr Röllig aber war anders. Als er 1974 eingeschult wurde, schenkte ihm seine Tante, die im Westen wohnte, ein Trikot von Franz Beckenbauer. Es war qualitativ besser als Vergleichbares in der DDR und war von seinem Idol, also zog er es während der Schulzeit an, obwohl es nicht gern gesehen war. Seinen eigenen Berufsweg hatte Herr Röllig schon sorgfältig geplant, erst wollte er sein Abitur machen und dann seine Berufslaufbahn als Schauspieler beginnen und studieren. Doch dass alles ganz anders kommen würde, wusste er zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Ohne Abitur, das er nicht machen konnte, da die Schülerakte und Einstellung seiner Familie zur sozialistischen Gesellschaft nicht passten, blieb für ihn nur noch die Möglichkeit einen Realschulabschluss zu erreichen. In der DDR hieß es im §249 des Strafgesetzbuches, dass, wer im arbeitsfähigen Alter keine Arbeitsstelle nachweisen kann, mit 2 Jahren Gefängnis bestraft wird. Es hieß also, er musste sich dringend eine Lehrstelle suchen. Sein Vater tat dies für ihn und er bekam eine Ausbildung als Kellner: „Es machte Spaß, man verdiente viel Geld..“ , was er sofort für Reisen nach Budapest, Prag usw. ausgab.

In Budapest lernte Herr Röllig seinen ersten Freund, der aus Westberlin kam, kennen. Mit 17 Jahren outete er sich. In der DDR war die Liebe Gleichgeschlechtlicher nicht strafbar, war aber trotzdem nicht gern gesehen. Daraufhin bekam er Besuch von der Stasi. Sie schilderten ihm, was er in den letzten Wochen getan und wie er sich verhalten hatte. Durch die vielen Besuche seines Freundes wurde die Stasi erst aufmerksam auf Herrn Röllig. Da sie mehr über den Freund aus der BRD wissen wollten (offenbar ein Politiker in der BRD), versuchten sie, mit verlockenden Angeboten (wie eine eigene Wohnung für ihn oder einen neuen Trabant) an Informationen zu kommen. Als er auch da noch nicht redete, fragten sie ihn, wo er denn gerne leben möchte – er antwortete: Westberlin – Charlottenburg. Daraufhin bekam er den Satz: „Sie werden schon sehen, was Sie davon haben“, zu hören und die Stasi verschwand. Drei Wochen nach diesem Vorfall wurde ihm gekündigt. Als Hilfsarbeiter wurde er dann in einer Bahnhofsgaststätte beschäftigt. Allerdings war er da alles andere als glücklich. Er verdiente jetzt nur noch 200 Mark und wurde von seiner Chefin schikaniert, die natürlich von der Stasi informiert war. Als DDR Bürger fühlte er sich immer eingesperrt und bedrängt. Sein damaliger Arbeitskollege wurde bei einem Fluchtversuch erschossen und trotzdem plante auch er, in die BRD zu flüchten.

Über Ungarn und dann durch die Donau schwimmen, so wollte er es versuchen. Schon fast am Ziel angekommen, traf er auf Dorfbewohner, die bezahlte Grenzhelfer waren und auf ihn schossen. Somit wurde Herr Röllig verletzt und vom ungarischen Geheimdienst eingesperrt. Nach einer qualvollen Woche mit Schlägen und wenig Essen wurde er von der DDR-Stasi abgeholt und kam für drei Monate in ein Gefängnis in Hohenschönhausen. Dort verlor er jegliche Identität und war von nun an nur noch „Häftling 328“: „Ich hatte Angst und kam mir vor wie in einem Nazi- Film…“, das waren seine Worte. Spätestens von dort an waren alle Schüler in seinen Bann geraten.

Ohne Kontakte zu anderen war er froh, ab und zu wenigstens verhört zu werden. In seiner Zelle durfte er keinen Sport machen und sich nicht auf das Bett setzen. Als ob diese Umstände nicht schon schlimm genug gewesen wären, hatte er auch noch Angst um seine Familie. Nach sieben Wochen bekam er dann Reiseführer und Bücher zum Lesen. Die Stasi machte nichts ohne Hintergrund. Sie wollten mithilfe von Psychologie erreichen, dass er alles gesteht. Es war alles gut durchdacht und damit hatten sie auch Erfolg. Herr Röllig gestand alles! Für drei Jahre auf Bewährung wurde er dann in die DDR entlassen. Am 8. März 1988 war es dann endlich soweit, der DDR Bürger Herr Röllig durfte in die BRD. In Tegel warteten seine Freunde und Verwandten auf ihn.

Alles war perfekt, doch einer fehlte noch. Sein Freund, für den er durch die Hölle ging, um mit ihm eine gemeinsame Zukunft in der BRD zu haben, war nicht da. Noch am selben Tag stellte sich heraus, dass sein Freund ein Doppelleben führte und in der BRD bereits eine eigene Familie hatte.

Nach diesen traumatischen Monaten hatte der damalige DDR-Bürger keine Lebenskraft mehr. Nach einem gescheiterten Selbstmordversuch bekam er einen Notruf von einem Freund. Dieser erzählte, dass gerade ein Hund auf offener Straße verprügelt werde und Herr Röllig ihm doch bitte helfen kommen solle. Kaum angekommen hing der Hund auch schon an seinem Bein. Von diesem Tag an waren die beiden unzertrennlich, der Hund war das Beste, was ihm passieren konnte. Er gab ihm sein Leben wieder zurück und zeigte, dass es sich lohnt, darum zu kämpfen.

Ich denke, wir können im Namen unseres Jahrgangs sagen, dass wir froh sind, diesem Zeitzeugengespräch beigewohnt zu haben. Wir haben noch mehr über die Zeit der DDR erfahren und deren Alltag und die Gesellschaft mal von einer ganz anderen Seite beleuchtet.

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