Rouanet-Gymnasium Beeskow

Auf den Spuren jüdischen Lebens – das Hachschara-Lager in Neuendorf im Sande

> Autor: Dirk Orth

> Datum: 05.01.2023

#UNESCO

Auf den Spuren jüdischen Lebens – das Hachschara-Lager in Neuendorf im Sande:

„Ein Gedenkort, der an erfüllte und zerstobene Träume erinnert“ (Tagesspiegel)

Wahrscheinlich ist nicht allen von uns der Begriff „Hachschara“ geläufig. Unter Leitung von Frau Fiedler und Herrn Orth als mitbetreuendem Lehrer haben sich die beiden Geschichtswahlpflichtkurse des Jahrgangs 9 zu einem Gutshof in der Nähe von Fürstenwalde/Spree aufgemacht, von dem aus junge Juden und Jüdinnen in den 30’ger Jahren ihre Auswanderung aus Nazi-Deutschland betrieben. Damit „die bedeutende Vergangenheit des Landwerks nicht in Vergessenheit gerät“ – eine Bedingung des Kaufs – , gründete sich im Dezember 2018 der Verein „Geschichte hat Zukunft – Neuendorf im Sande e.V.“. Dort ergibt sich nun für heutige Jugendliche die Möglichkeit auf historische Spurensuche zu gehen. Diese Geschichte beginnt neun Jahre vor der Zeit als Zwangsarbeiterlager, zu dem es die Nationalsozialisten 1941 umwandelten. 1932 wurde das „Landwerk Neuendorf“ als eine jüdische Arbeiterkolonie und Ausbildungsstätte gegründet.

Anfangs gab es 30 bis 40 Auszubildende hier, junge Juden und Jüdinnen, die sich auf ihre Auswanderung vorbereiten. Ungefähr 1200 Jugendliche absolvierten zwischen 1932 und 1938 die Ausbildung und gingen dann insbesondere nach Palästina, aber auch nach Argentinien und weiteren Ländern.

Sie mussten dafür Erfahrungen in der Landwirtschaft, der Viehhaltung, im Handwerk und in der Hauswirtschaft vorweisen, wobei stets eine geeignete, handwerkliche Berufsausbildung dafür als entscheidendes Kriterium galt.

Von hier aus sollte das neue Leben beginnen. Weil Auswanderung für viele junge Juden und Jüdinnen nach der Machtübernahme der Nazis der einzige Ausweg schien, wuchs die Zahl der Mitglieder der Hachschara-Bewegung kontinuierlich. Die Nationalsozialisten duldeten die Auswandererbewegung trotz aller antijüdischer Restriktionen zunächst.

 Neuendorf im Sande ist ein historisches Kleinod, weil originale Gebäudeteile erhalten sind. . Der Weg über das Gelände führt vom Haupthaus an Baracken und Ställen vorbei. Wie es sich dort lebte, ist eine der Fragen, denen der Verein nachgeht. Weltweit sucht er nach Angehörigen von Menschen, die in Neuendorf gelebt und gearbeitet haben sowie nach Dokumenten, die das Leben dort beschreiben

Seit 1941 war Neuendorf NS-Zwangsarbeits- und Sammellager für Deportationen. Der später als „Dalli-Dalli“-Fernsehmoderator bekannte Hans Rosenthal musste dort Zwangsarbeit leisten, u.a. hat auch Esther Bejarano das Gut sowohl als Ausbildungsstätte als auch als Zwangsarbeitslager erlebt.

Die Montessori-Pädagogin Clara Grunwald arbeitete dort als Erzieherin, bis sie in das Vernichtungslager KZ Auschwitz-Birkenau verschleppt wurde und dort ermordet worden ist. Dieses Schicksal teilten die 60 letzten verbliebenen Jugendlichen sowie weitere 30 Erwachsene aus dem Gut, die in verschiedenen deutschen Tötungsanstalten ermordet wurden.

Fotos im Anhang zeigen die Arbeit unserer SchülerInnen auf dem Landwerk im November 2022, u.a. bei der historischen Spurensuche, beim Vergleich heute/damals, bei der Denkmalpflege, beim Bau von Hinweis- und Wegschildern zur besseren Orientierung für die BesucherInnen sowie beim gemeinsamen traditionellen Brotbacken.

Wir sind sicher, auch bei weiteren Besuchen wird das ehemalige Hachschara-Lager in Neuendorf im Sande noch viele spannende, aber auch oft tragische Geschichten offenbaren. Die wissenschaftliche Aufarbeitung hat gerade erst begonnen…


Bilder zum Artikel: Auf den Spuren jüdischen Lebens – das Hachschara-Lager in Neuendorf im Sande

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